Statement

English translation down below

In dem folgenden Statement möchten wir, das Bündnis 8. März Leipzig, zu den Vorwürfen in Bezug auf unsere Zusammensetzung, Positionen und unseren Demokonsens Stellung beziehen. In den letzten Tagen erreichten uns zahlreiche Nachrichten, in denen uns bereits zugesicherte Unterstützung für die Demo am 8. März wieder abgesagt wurde. Wir sind bestürzt über den Umgang Leipziger linker Strukturen mit uns, welcher das Verbreiten von Gerüchten, eine falsche Darstellung unserer Positionen und ein insgesamt unsolidarisches Verhalten einschließt.

Zusammensetzung des Bündnisses

Als 8M-Bündnis setzen wir uns jedes Jahr neu zusammen, um den feministischen Kampftag in Leipzig zu planen. Eingeladen an diesem Prozess teilzunehmen sind sowohl Gruppen und Organisationen wie auch Einzelpersonen, die den 8. März gemeinsam gestalten wollen. Willkommen sind alle, welche mit unserem Selbstverständnis (siehe Website) einverstanden sind. Wir laden demnach nicht gezielt, sondern möglichst breit ein. Erfahrungsgemäß besteht das Bündnis in überwiegender Mehrheit aus Einzelpersonen, auch dieses Jahr stellt dazu keine Ausnahme dar. 

Innerhalb des Bündnisses besteht kein allumfassender inhaltlicher Konsens, da sich die Beteiligten in verschiedenen linken Strömungen und Spektren verorten. Daher stehen wir in der gesamten Bündisarbeit im stetigen Diskurs. Schon im Dezember haben wir breit zu einem Plenum eingeladen, bei welchen Raum für kritischen Austausch geschaffen wurde. Dieser Einladung sind nur Wenige gefolgt. Erst nach langen internen Diskussions- und Entscheidungsprozessen haben externe Strukturen, kurz vor dem 8. März,  Forderungen an uns herangetragen. Diese Forderungen enthielten keine Möglichkeit einer konstruktiven Diskussion, im Gegenteil: Es wurde von uns verlangt, die jeweiligen Positionen zu übernehmen und angedroht, anderenfalls jegliche Unterstützung (finanzielle Mittel und Ressourcen) zu entziehen. Wir verurteilen derartiges unsolidarisches Verhalten! 

Vorwurf der Unterwanderung

In vielen der Nachrichten, die wir in den letzten Tagen erhalten haben, ist die Rede davon, wir wären von sogenannten „K-Gruppen“ unterwandert worden. Diese Unterstellung möchten wir entschieden von uns weisen. Wie bereits geschildert besteht das Bündnis maßgeblich aus Einzelpersonen, darüber hinaus nehmen einige Deligierte anderer Strukturen an unseren Plena und am Arbeitsprozess teil. Wir verstehen den Vorwurf der Unterwanderung als sexistische Absprache unserer Positionen und Kompetenzen. Dieses patriarchale Narrativ stellt alle Beteiligten im Bündnis – vor allem Einzelpersonen – als naiv und leicht beeinflussbar dar. Anstelle mit uns in einen Dialog zu treten, soll jeglicher Entzug von Unterstützung und Solidarität mit diesem Gerücht legitimiert werden.

Vorwurf der Instrumentalisierung des 8. März

Auch wurde uns in der vergangenen Woche immer wieder vorgeworfen, wir würden den 8. März „für den Nahostkonflikt“ instrumentalisieren. Wir kritisieren das eingeschränkte Verständnis Leipziger Strukturen zum Feminismus, welches die Thematisierung von Kriegen im Allgemeinen und des Genozids in Gaza im Speziellen als nicht feministisch relevant abtut.

Unser Anspruch für den 8. März ist es, verschiedene und gemeinsame Kämpfe aufzuzeigen und Feminismus intersektional auf die Straße zu tragen. Das schließt, neben vielen weiteren Themen, ganz klar den Genozid in Gaza und das damit zusammenhängende Leid der palästinensischen Bevölkerung ein. Als Feminist*innen ist es unsere Pflicht, auf diese Situation aufmerksam zu machen und uns mit allen Unterdrückten solidarisch zu zeigen. Kriegen ihre feministische Relevanz abzusprechen halten wir für einen schwerwiegenden Fehler. Marginalisierte Menschen wie FLINTA*-Personen sind über das unvorstellbare Leid, das durch einen Krieg erzeugt wird, hinaus aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in besonderer Weise betroffen. So ist die gesundheitliche Lage und medizinische Versorgung besonders prekär, sodass gerade schwangere, entbindende und stillende Personen einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Menstruierende Personen haben häufig keinen Zugang zu Menstruationsprodukten. Auch (FLINTA*-)Personen mit Behinderung trifft die humanitäre Lage besonders hart. Frauen sind häufiger von Armut betroffen und haben dadurch weniger Ressourcen, um sich und ihre Familien zu versorgen und in Sicherheit zu bringen. Darüber hinaus sind Kriege unweigerlich mit patriarchaler und sexualisierter Gewalt verbunden, welche gezielt als Kriegswaffe eingesetzt wird. 

Neben diesen nicht zu vernachlässigenden Betroffenheiten darf unsere Anteilnahme aber nicht da aufhören, wo Frauen und Kinder betroffen sind. Allen Betroffenen der furchtbaren Kriegsgewalt gehört unsere Anteilnahme. Wir nehmen Abstand zu der rassistischen Sichtweise auf Männer of Colour als nicht schützenswerte Personen. Wir verurteilen das Schweigen weißer Feminist*innen zu der Lage in Palästina, was sie zu Kompliz*innen der Gewalt macht.

Vorwurf: Nur Palästinafahnen

Im Zusammenhang mit unserem Demokonsens wurde bereits vor seiner Veröffentlichung das Gerücht verbreitet, es wären ausschließlich „antiimperialistische und antikoloniale Fahnen“ erlaubt. Dies würde sich direkt auf den „Nahostkonflikt“ beziehen und schlussfolgernd seien nur Palästinafahnen erlaubt. Das ist falsch. Wie in unserem Demokonsens nachzulesen, sind Gewerkschaftsfahnen, Fahnen von Polit-Gruppen und Pride-Fahnen neben Transparenten und Plakaten erlaubt, welche mit dem Demokonsens vereinbar sind. Neben dem grundlegenden Verbot von National- und Territorialfahnen sind Fahnen, die einen antiimperialistischen und/oder antikolonialen Befreiungskampf symbolisieren, erlaubt. Diese Entscheidung wurde nach einem langen Diskussionsprozess getroffen. Sie schließt verschiedenste globale Befreiungskämpfe ein und kann nicht lediglich auf den „Nahostkonflikt“ heruntergebrochen werden. Als Bündnis vertreten wir die Meinung, dass Solidarität mit diesen Kämpfen vielfältig geäußert werden kann, ob mit Redebeiträgen, Parolen und Plakaten, aber eben auch mit Fahnen, die ein wichtiges Symbol der jeweiligen Bewegungen darstellen können.

Wir verurteilen die Angriffe der Hamas um den 7. Oktober auf jüdische Personen. Insbesondere die Berichte über geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt haben uns zutiefst erschüttert und dürfen nicht ignoriert werden. Die Hamas steht nicht für einen feministischen fortschrittlichen Befreiungskampf. Jedoch ist der 7. Oktober nicht der Beginn der aktuell herrschenden Gewalt in Israel-Palästina, sondern muss im Kontext anhaltender Besatzung, Vertreibung und Apartheid betrachtet werden. 

Die Gleichstellung der Palästinafahne und palästinensischer Symbole mit der Hamas bedient ein rassistisches Narrativ. Ebenso reihen sich die Angriffe auf (migrantische)  Hausprojekte in Leipzig und palästina-solidarische Menschen auf „Gegen-Rechts“-Demos in dieses Narrativ ein. Angesichts der Lage in Palästina und der Rolle Deutschlands als einer der wichtigsten Waffenexporteure und Unterstützer Israels ist Neutralität von Feminist*innen keine Option.

Aus intersektional-feministischer Perspektive müssen wir uns mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisieren und sie in ihrem Kampf unterstützen. Am 8. März wollen wir auf eine Reihe feministischer Themen aufmerksam machen, zu welchen die katastrophale Lage in Gaza klar dazugehört. Dafür sehen wir trotz inhaltlicher Differenzen eine große Relevanz in der Verbindung unserer Kämpfe, um gerade angesichts der aktuellen Lage eine starke linke, antikapitalistische und feministische Bewegung aufzubauen. Wir lassen uns nicht kleinkriegen! Wir nehmen uns die Straße am 8. März und jedem anderen Tag!

Heraus zum feministischen Kampftag: Gemeinsam gegen Rechtsruck und sozialen Sparkurs- feministisch kämpfen jetzt!

ENGLISH

Statement

In the following statement, we, the 8th March Leipzig Alliance, would like to comment on the accusations regarding our composition, positions and demonstration consensus. In the last few days, we have received numerous messages in which we have already been promised support for the demonstration on March 8th, but this has been canceled again. We are dismayed by the way Leipzig’s left-wing structures have treated us, which includes spreading rumors, misrepresenting our positions and behaving in a generally unsupportive manner.

Composition of the alliance

As the 8M alliance, we come together every year to plan the feminist day of struggle in Leipzig. Groups and organizations as well as individuals who want to shape the 8th of March together are invited to take part in this process. We welcome all those who subscribe to our self-image (see website). We are therefore not inviting specifically, but as broadly as possible. Experience has shown that the majority of the alliance consists of individuals, and this year is no exception. 

There is no all-encompassing consensus on content within the alliance, as the participants belong to different left-wing movements and spectrums. This is why we are in constant discourse throughout the work of the alliance. Back in December, we extended a broad invitation to a plenary, which created space for critical exchange. Only a few people accepted this invitation. After long internal discussion and decision-making processes external structures made demands of us, shortly before March 8. These demands did not include any possibility of constructive discussion, on the contrary: we were asked to adopt the respective positions and threatened to withdraw all support (financial means and resources) if we did not. We condemn this lack of solidarity!

Accusations of infiltration

In many of the messages we have received in recent days, there has been talk of us being infiltrated by so-called „K-groups“. We would like to firmly reject this allegation. As already mentioned, the alliance consists mainly of individuals, but some delegates from other structures also take part in our plenums and in the working process. We understand the accusation of infiltration as a sexist collusion of our positions and competencies. This patriarchal narrative portrays everyone involved in the alliance – especially individuals – as naive and easily influenced. Instead of entering into a dialogue with us, any withdrawal of support and solidarity is to be legitimized with this rumour.

Accusation of instrumentalizing 8 March

Over the past week, we have also been repeatedly accused of instrumentalizing 8 March „for the Middle East conflict“. We criticize Leipzig’s limited understanding of feminism, which dismisses the issue of wars in general and the genocide in Gaza in particular as not relevant to feminism.

Our aim for March 8 is to highlight different and common struggles and to take feminism to the streets in an intersectional way. Among many other issues, this clearly includes the genocide in Gaza and the associated suffering of the Palestinian population. As feminists, it is our duty to draw attention to this situation and show solidarity with all oppressed people. We believe that denying wars their feminist relevance is a serious mistake. Marginalized people such as FLINTA* people are affected in a special way because of their gender identity, in addition to the unimaginable suffering caused by war. The health situation and medical care are particularly precarious, meaning that pregnant persons and those giving birth and breastfeeding are at increased risk. Menstruating people often have no access to menstrual products. The humanitarian situation also hits (WLINTA*) people with disabilities particularly hard. Women are more often affected by poverty and therefore have fewer resources to provide for themselves and their families and keep them safe. Furthermore, wars are inevitably linked to patriarchal and sexualized violence, which is deliberately used as a weapon of war.

In addition to these not insignificant concerns, our sympathy must not stop where women and children are affected. We sympathize with all those affected by the terrible violence of war and distance ourselves from the racist view of men of colour as people who are not worthy of protection. We condemn the silence of white feminists on the situation in Palestine, which makes them complicit in the violence of war.

Accusation: only Palestinian flags

In connection with our demo consensus, the rumor was spread that only „anti-imperialist and anti-colonial flags“ would be allowed. This would refer directly to the „Middle East conflict“ and therefore only Palestinian flags would be allowed. This is wrong. As you can read in our demo consensus, trade union flags, flags of political groups and Pride flags are permitted alongside banners and posters that are compatible with the demo consensus. In addition to the fundamental ban on national and territorial flags, flags that symbolize an anti-imperialist and/or anti-colonial liberation struggle are permitted. This decision was taken after a long discussion process. It includes a wide range of global liberation struggles and cannot be reduced to the „Middle East conflict“ alone. As an alliance, we are of the opinion that solidarity with these struggles can be expressed in many ways, whether with speeches, slogans and posters, but also with flags, which can be an important symbol of the respective movements.

We condemn the attacks by Hamas on Jewish people around October 7. In particular, the reports of gender-specific and sexualized violence have deeply shocked us and must not be ignored. Hamas does not stand for a feminist progressive liberation struggle. However, October 7th is not the beginning of the current violence in Israel-Palestine, but must be seen in the context of ongoing occupation, displacement and apartheid. 

The equalisation of the Palestinian flag and Palestinian symbols with Hamas serves a racist narrative. The attacks on (migrant) housing projects in Leipzig and people showing solidarity with Palestine at „counter-right“ demonstrations are also part of this narrative. In view of the situation in Palestine and Germany’s role as one of the most important arms exporters and supporters of Israel, neutrality is not an option for feminists.

From an intersectional feminist perspective, we must show solidarity with the Palestinian people and support them in their struggle. On March 8, we want to draw attention to a number of feminist issues, of which the catastrophic situation in Gaza is clearly one. Despite differences in content, we see great relevance in linking our struggles in order to build a strong left-wing, anti-capitalist and feminist movement, especially in view of the current situation. We will not be beaten down! We will take to the streets on March 8 and every other day!

Out for the feminist day of struggle: United against the rightward shift and social cutbacks – feminist action now!