Redebeitrag Catcalls of Leipzig

CN: Transfeindlichkeit, Rassismus, Misogynie, sexualisierte Gewalt und Ableismus werden auf struktureller Ebene thematisiert. Es finden keine expliziten Darstellungen statt.

Hey wir sind Catcalls of Lpz.

Wir kreiden uns zugesendete Fälle von Catcalling oder sexueller Belästigungen am Ort des Geschehens an und berichten darüber auf Social Media. Heute halten wir eine Rede, denn wenn wir uns die aktuelle politische Lage so anschauen, macht uns das zutiefst wütend! Unsere Wut wollen wir heute mit euch teilen und gemeinsam auf eine Auswahl von Themen schauen, die uns zurzeit beschäftigen. Aber wir wollen auch mit euch gemeinsam Hoffnung und Kraft schöpfen…

Anfang diesen Jahres sollte eigentlich über einen neuen Gesetzesentwurf, welcher Abtreibung legalisiert, abgestimmt werden, aber Union und FDP haben diesen Prozess absichtlich verlangsamt und spielen so mit den Leben von ungewollt schwanger gewordenen Personen! Was soll diese scheiße?!!!

Beim Thema Selbstbestimmung und Schwangerschaft muss sich auch folgende Frage gestellt werden: Wem wird überhaupt gestattet schwanger zu werden? Flinta* mit Behinderung wird zum Beispiel -im Vergleich zu nichtbehinderten FLINTA*- oft ungefragt geraten eine Gebärmutterentfernung machen zu lassen oder es werden ihnen über die gesetzliche Betreuung – ohne genügend Aufklärung der eigentlich betroffenen Person- Schwangerschaftsverhütungsmittel verschrieben und verabreicht. Auch in anderen Bereichen erleben Flinta* mit Behinderung/chronisch kranke Flinta* eine doppelte Belastung durch die ausgesetzte Mehrfachdiskriminierung. So erfahren sie beispielsweise häufiger sexualisierte Gewalt und haben gleichzeitig meistens weniger Zugang zu Hilfsangeboten. Was soll diese Scheißzzze?!

Es graut uns zu sehen, wie auch die Redefreiheit und Selbstbestimmung von migrantischen Personen immer weiter angegriffen wird. Mit Schrecken verfolgen wir seit Monaten die zunehmende Polizeigewalt auf Demonstrationen, für ein freies Palästina. In geht die Polizei sogar soweit, alle sprachen außer deutsch und englisch bei Kundgebungen zu verbieten. Versammlungen wurden gewaltsam aufgelöst, da Menschen auf Arabisch und Hebräisch gesprochen haben. Wie kann es sein, dass es in diesem Land Menschen schon wieder untersagt wird, in ihrer Muttersprache zu sprechen, laut zu sein und zu kämpfen? Emis Gürbüz, die Mutter von Sedat Gürbüz, hatte bei dem Gedenken an das Attentat in Hanau, bei dem ihr Sohn ermordet wurde, ihre Wut auf den deutschen Staat geäußert. Die CDU reagierte mit Empörung und dem Vorwurf, sie hätte das Gedenken an ihren ermordeten Sohn für politische Zwecke instrumentalisiert. Es wird immer deutlicher: Migrantische Menschen sind für diesen Staat nicht mehr als Objekte: politische Waffen, die in Wahlkämpfen benutzt werden und deren Schicksal und Existenz ein nebensächlicher Gedanke ist. Dass viele von ihnen in unserer sogenannten Demokratie nicht einmal wählen dürfen, bringt das ganze auf die Spitze. Was soll diese Scheißze?!

Auch die Selbstbestimmung von ITAN* Personen soll bald wieder mehr eingeschränkt werden. Das SBG hat erst extremst lange auf sich warten lassen und als es dann letztes Jahr endlich in Kraft getreten ist, war es mit vielen diskriminierenden Klauseln, vor allem gegen trans*feminine Personen, auch eher enttäuschend. Eine Sauna nur für cis Frauen ist kein Schutzraum, sondern eine Genderhölle, steckt euch euer Hausrecht doch in eure verklämmten Ärsche, lol! Und trotzdem ist das SBG um Welten besser, als sein:e Vorgänger:in – das TSG von 1980. Viele von uns haben lange darauf gewartet, endlich Namen und Geschlechtseintrag -ohne Gerichtsprozess, mehrerer tausend Euro Verfahrenskosten und extremst entmündigende Gutachten- anpassen zu können. Das SBG bleibt eine lang umkämpfte Veränderung, die vielen das Leben erleichtert. Doch die CDU hat bereits angekündigt uns dieses Recht wieder nehmen zu wollen. Und nicht nur hier in Deutschland, Trans*feindlich nimmt weltweit zu. Trump geht völlig steil, indem er genderneutrale Geschlechtseintäge wieder abschafft, die künftige Änderung von Geschlechtseinträgen verbietet und sogar Einreiseverbote einführt für Personen deren angegebenes Geschlecht „nicht mit dem Erscheinungsbild übereinstimmt“ Was soll diese Scheißze?!

All das macht uns unglaublich wütend, traurig und laugt uns aus. In solchen Momenten, wenn diese Kacksysteme es schaffen, uns zu vereinzeln, zu entmenschlichen und zu entmündigen, bis wir uns ganz hilflos fühlen, dürfen wir etwas wichtiges nicht vergessen: Genauso lange, wie es Unterdrückung und systemische Gewalt gibt, gibt es auch schon Widerstand! Manchmal ist Widerstand ganz laut und in your face wenn wir Demos organisieren, Häuser und Wälder besetzen, Protestcamps machen. Manchmal ist Widerstand aber auch leise und unscheinbarer. Zum Beispiel wenn wir Freund:innen bei ihrer Transition begleiten, mit ihnen auf dem Heimwegen telefonieren, gegenseitig Carearbeit übernehmen oder Wahlfamilien gründen. Widerstand bedeutet Raum für Austausch und Anteilnahme zu schaffen. Widerstand bedeutet füreinander da zu sein. Denn wie Adrienne Maree Brown sagte: „Wenn wir beginnen uns selbst als Übungsort für Veränderung zu verstehen, können wir die Welt verändern.“ Wir haben uns hier heute alle versammelt, weil unsere Herzen nach Veränderung schreien. Nehmt euch einen Moment, spürt wie die Sonne auf unserer Haut auch den Widerstand in uns neu entflammt. Schaut euch um. Seht ihr auch diejenigen, die leider nicht mit hier bei uns sein können? Haltet sie in Gedanken. Und seht ihr wer alles neben euch und mit euch läuft? Auch wenn wir uns heute zum ersten Mal sehen, sind wir einander nicht fremd. Wenn ihr euch traut, geht aufeinander zu und werdet zusammen aktiv, in welcher Form auch immer gerade gut zu euch passt. Wir sind dankbar für euch alle, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, für sich und andere einzustehen und wollen euch ermutigen weiterzukämpfen! Weiterzukämpfen, wie die Zapatistas, „für eine Welt, in die viele Welten passen!“ Und jetzt nehmen wir uns die Straßen zurück – Whose streets? Our streets!

Danke!