Wenn wir uns heute anlässlich des Internationalen Feministischen Kampftag hier versammeln, lasst uns damit beginnen, an den Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ zu erinnern. Dieser Slogan, der tief im Widerstand und der Selbstermächtigung des kurdischen Volkes verwurzelt ist, wurde über viele Grenzen hinaus zu einem universellen Ruf nach Gleichberechtigung und Menschenrechten.
Es erinnert uns daran, dass der Feminismus mit dem Leben selbst verwoben ist, dass das Streben nach Freiheit nicht nur ein Kampf ist, der physisch in der Welt ausgetragen wird, sondern auch ein ständiger Kampf in den Herzen und Köpfen der Menschen. Seit Jahrzehnten dienen diese Worte als Aufruf und ermutigen uns, uns eine Welt vorzustellen, in der jede Frau ein erfülltes Leben führen kann, in der sie die Freiheit hat, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, und in der sie die Möglichkeit hat, ihr Potenzial ohne Einschränkungen oder Vorurteile auszuschöpfen.
Doch die Realität für viele Frauen in Regionen wie Iran und Afghanistan sieht ganz anders aus. In diesen Ländern wird der Ruf nach Selbstermächtigung und Emanzipation oft durch massive Repression zum Schweigen gebracht, und die Rechte der Frauen werden nicht nur übersehen, sondern aktiv unterdrückt. Der Mut der kurdischen Frauen, die Unbeugsamkeit der iranischen Frauen und der unerschütterliche Geist der afghanischen Frauen sind ein Beweis für den anhaltenden Kampf, der noch lange nicht zu Ende ist.
Es ist eine traurige Wahrheit, dass die in den westlichen Ländern oft gepriesenen Werte der Freiheit und Gleichheit sich nicht immer in den Handlungen der europäischen Regierungen widerspiegeln. Die Erwartungen an Solidarität und Unterstützung für die Frauen, die im Iran und in Afghanistan schwere Zeiten durchmachen, sind nicht mit dem Engagement begegnet worden, die diese Situation erfordert. Dieser Kontrast zwischen der Hoffnung und der tatsächlichen Situation, zwischen den Versprechungen und den tatsächlichen Handlungen, schafft eine große Kluft, die uns zeigt, wie kompliziert es ist, die Rechte der Frauen auf der ganzen Welt zu unterstützen.
Wenn wir heute hier stehen, müssen wir uns fragen, warum die Kämpfe unserer Schwestern in diesen Regionen nicht so viel Aufmerksamkeit erregen wie die Probleme, mit denen wir uns hier konfrontiert sehen. Wir müssen uns der unbequemen Wahrheit stellen, dass der Weg zur Gleichstellung der Geschlechter von selektiver Aufmerksamkeit und inkonsequenter Unterstützung geprägt ist.
Der Kampf für die Freiheit kennt keine Grenzen, doch die angebotene Hilfe greift oft zu kurz und fällt zögerlich aus, wenn es an der politischen Bequemlichkeit und des geopolitischen Kalküls aneckt. Durch die Verschärfung des Rechts auf Asyl macht es die Europäische Union den Menschen, die vor diktatorischen Regimen fliehen, jeden Tag schwerer, Sicherheit zu finden.
Letztes Jahr haben wir dazu aufgerufen, eure Regierung dazu zu drängen, sinnvolle Maßnahmen gegen das islamische Regime Irans zu ergreifen. Da wir jedoch einen enttäuschenden Mangel an Initiative und Bereitschaft seitens der europäischen Regierungen feststellen mussten, verlagern wir in diesem Jahr unseren Fokus näher an unser Zuhause hier. Auch wenn es für euch, die in Deutschland lebt, schwierig erscheinen mag, das Leben von Frauen im Iran und in Afghanistan direkt zu beeinflussen, könnt ihr hier viel tun.
Migrantinnen und geflüchtete Frauen in Deutschland sind häufig Diskriminierung, Isolation und Ausgrenzung ausgesetzt. Sie leben unter harten und gefährlichen Bedingungen in den Asylunterkünften und befinden sich in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Rassifizierung, Viktimisierung und Exotisierung, das sie an den Rand der Gesellschaft drängt. Sich mit ihnen zu solidarisieren, während sie versuchen, ein neues Leben in Deutschland zu beginnen, ist ein entscheidender Schritt. Aber Solidarität ist nicht nur eine Idee, sie erfordert auch Taten.
Indem ihr ihnen Unterstützung und Empathie entgegenbringt und eure Ressourcen mit ihnen teilt, könnt ihr Türen zur sozialen und politischen Teilhabe öffnen, die durch strukturellen und institutionellen Rassismus und Patriarchat oft verschlossen sind. Jede Aktion , sei es, dass ihr ihnen mit offenheit begegnet, Freundschaften schließt oder Zivilcourage zeigt, wenn ihr Zeuge von Rassismus und Diskriminierung werdet, oder ob ihr einfach nur das Bewusstsein schafft sowohl für ihre Herausforderungen als auch für ihre Verdienste geflüchteter Frauen – ist von großer Bedeutung.
Konzentrieren wir uns in diesem Jahr darauf, eine Gemeinschaft zu schaffen, die migrantische und geflüchtete Frauen aufnimmt, fördert und unterstützt und anerkennt, dass ihr Kampf für Freiheit und Gleichheit auch in ihrem neuen Zuhause weitergeht. Unterschätzen wir nicht die Macht lokaler Aktionen, die einen globalen Einfluss auf die Gleichstellung der Geschlechter haben können.